Murmeltiere

Unsere putzigen Alpenbewohner

Wer denkt, dass Murmeltiere den ganzen Winter hindurch ununterbrochen schlafen, der irrt. Hier erfährst du viel Spannendes über unsere scheuen Alpenbewohner.

Ein klarer Fall von denkste

Wer sich oft in den Bergen aufhält, der hat gute Chancen Murmeltiere zu sichten. Gerade im Sommer, wenn sich die putzigen Alpenbewohner auf den Felsen ausruhen, sind sie gut zu beobachten.

Du denkst, dass sich Murmeltiere gerne ein Sonnenbad gönnen? Da liegst du falsch. Murmeltiere suche Abkühlung und nicht Wärme auf den Felsen. Und oft sprechen wir vom schrillen Pfeifen der Tiere. Aber nein, das vermeintliche Pfeifen ist eigentlich ein Schrei.

Es gibt so viel über die Murmeltiere zu erzählen. Lies ruhig weiter 😊.

Herkunft und Verbreitung

Ursprünglich in den weiten Steppen beheimatet, besiedelten die Murmeltiere nach dem Rückzug der Alpengletscher die Berge. Sie folgten den kältefesten Gräsern und Kräutern in die Höhe und fanden ihren geeigneten Lebensraum oberhalb der Waldgrenze.
Man unterscheidet fünfzehn Murmeltierarten. Sie leben alle auf der nördlichen Halbkugel. Das Alpenmurmeltier (Marmota marmota) ist heute über den gesamten Alpenbogen verbreitet. Nachdem die Murmeltiere vielerorts grösstenteils ausgerottet wurden, sind diese vor 150 Jahren in den Pyrenäen, im französischen Zentralmassiv, im Apennin, in den Vogesen, im Schweizer Jura, im Schwarzwald, in den slowenischen Alpen, in den rumänischen Karpaten und in der Tatra (Slowakei, Polen) wieder ausgesetzt worden. Murmeltiere bevorzugen baumloses oder baum- und buscharmes Grasland.

Woher kommt der Name

Murmeli, Mungg, Marmotte, Murmende, Murmetli, Mankei – das Murmeltier hat zahlreiche Namen. Der Ursprung findet sich im Lateinischen «Mus Montis» (Bergmaus). Daraus soll im Rätoromanischen «Murmont» geworden sein. Im Althochdeutsch dann «Murmenti», was dem heutigen Namen schon sehr nahe ist. «Marmot» im Englischen oder «Marmotte» im Französischen sind eng damit verbunden. In der Jägersprache nennt man das männliche Murmeltier «Bär», das weibliche «Katze» und das Junge «Affe».

Steckbrief

Das Alpenmurmeltier (Marmota marmota) ist nach dem Biber das grösste Nagetier der Alpen. Es
gehört zur Familie der Hörnchen. Im Unterschied zu den Baumhörnchen (z.B. Eichhörnchen), sind die
Murmeltiere Erdhörnchen.

Der Körperbau der Murmeltiere wirkt etwas gedrungen und massig. Murmeltiere haben einen kurzen, runden Kopf mit kleinen, im Pelz fast versteckten Ohren und stark ausgeprägten Tasthaaren. Kräftige Gliedmassen mit stumpfen Grabklauen an den Füssen. Ganzer Körper sehr beweglich. Die äussere Schmelzschicht der kräftigen Nagezähne ist bräunlich-orange gefärbt.

Die Grundfarben des Felles reichen von schiefergrau bis rötlich gelb. Die Kopfoberseite ist schwärzlich, die Schnauze hell und der Rücken dunkel. Jungtiere bis zwei Jahre sind weniger kontrastreich gefärbt.

Grösse und Gewicht
Kopf-Rumpflänge: 45 bis 5cm
Schwanzlänge: 14 bis 2cm
Lebendgewicht: 2.5 bis 5.kg

Aufgrund des Winterschlafs, unterliegt das Körpergewicht starken jahreszeitlichen Schwankungen.

Murmeltiere werden bis zu 12 Jahre alt. Vergreiste alte Tiere verenden fast immer im Winterschlaf.

Murmeltiere sehen ausgezeichnet, und auch ihr Gehörsinn ist gut. Das Anbringen von Geruchsmarken zur Reviermarkierung weist auch auf die Bedeutung des Geruchsinnes hin.

Die Familie steht im Mittelpunkt

Murmeltiere haben allein in kalten, schneereichen Lebensräumen kaum Überlebenschancen. In der Gemeinschaft gelingt es ihnen weit besser, mit solchen Bedingungen fertig zu werden. Vor allem Jungtiere sind auf Eltern und Geschwister angewiesen, um ihren ersten Winter zu überstehen. Jungtiere spielen und balgen ausgiebig.

Murmeltiere verwenden viel Zeit für die gegenseitige Fellpflege; engen Körperkontakt sind sie allein schon aus dem Leben im Bau gewöhnt.

Die Familien leben in Territorien, welche von den beiden ranghöchsten Tieren gegen erwachsene Eindringlinge verteidigt werden, wenn notwendig bis zum Tod des Eindringlings. Zu den Kosten des Gruppenlebens zählt auch die häufigere Übertragung von Parasiten und Krankheitserregern.

Fortpflanzung

Geschlechtsreif sind die Murmeltiere nach circa 2 bis 3 Jahren. Die Paarungszeit beginnt unmittelbar nach dem Winterschlaf, je nach Witterung zwischen Mitte April und Mitte Mai. Nach 5 Wochen bringt das Weibchen 2 bis 6 Junge zur Welt. Diese sind zahnlos und werden im Bau gesäugt. Die Jungen verlassen den Wurfbau erstmals im Alter von rund 40 Tagen, das ist meist in der ersten Juliwoche. Es gibt in der Familie ein dominantes Elternpaar, fast nur dieses pflanzt sich fort. Andere schwangere Weibchen werden zum Teil so lange verfolgt und gestresst, dass diese die Föten verlieren. Klappt dies nicht, kann der Nachwuchs konkurrierender Weibchen getötet werden.

Der Lebensraum

Murmeltiere leben im Gürtel zwischen der Waldgrenze und dem Eis. Sie benötigen offene Graslandschaften, in denen es im Sommer nicht zu heiss wird. Zudem muss es für die Murmeltiere möglich sein, unterirdische Bauten anzulegen. Wo die Alpwirtschaft nachlässt, verbuschen und verwalden Lebensräume zusehends. Damit gehen offene Lebensräume verloren und das Murmeltier verschwindet. Beweidung kann die Qualität des Lebensraums von Murmeltieren stark anheben. Kuhmist düngt und lässt krautige Pflanzen spriessen.

Und noch etwas: wer denkt, Murmeltiere seien Sonnenanbeter, die gerne auf Felsen Wärme tanken, der irrt. Murmeltiere können kaum Hitze abgeben, der Fels dient der Abkühlung. Kühlung finden die Murmeltiere im Hochsommer auch im Bau.

Der Klimawandel bedroht das Murmeltier. Verschiebt sich die Waldgrenze nach oben, verändert sich auch die Vegetation. Findet das Murmeltier so noch die richtigen Kräuter für die notwendige Fettqualität? Eine dicke Schneedecke isoliert den Bau. Wird in Zukunft noch genügend Schnee fallen? Falls nicht, sinkt die Temperatur in den Winterhöhlen. Wird das Murmeltier für den sich verändernden Lebensraum erneut Lösungen finden?

Nahrung für die Murmeltiere

Murmeltiere wählen ihre Nahrung gezielt aus. Dies widerspiegelt sich auch in der Qualität des Murmeltierfettes. Im Frühling ernähren sich die Murmeltiere von Wurzeln und Knollen. Später bevorzugen sie Gräser, Sprossen, Blätter, Blüten, Samen und Früchte. Die Pflanzen im Nahrungsspektrum umfassen Dutzende Arten. Wichtig scheint ein hoher Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren.

Pro Tag verzehrt ein erwachsenes Tier circa 1 bis 1.5 Kilo Pflanzenmasse.

Feinde und Warnsystem

Nebst dem strengen Winter sind Steinadler und Rotfuchs die Hauptfeinde des Alpenmurmeltieres. Gerade für den Steinadler ist das Murmeltier das wichtigste Beutetier. Ein Adlerpaar erbeutet bis zu 70 Murmeltiere pro Saison. Zunehmend werden auch freilaufende Hunde und Menschen in den alpinen Lebensräumen zu Störfaktoren. Beim Auftauchen einer Gefahr ertönt Alarm. Murmeltiere sehen ausgezeichnet. Jeder kennt die grellen Pfiffe, welche akustisch menschlichen Fingerpfiffen gleichen. Tatsächlich sind es aber Schreie, die im Kehlkopf erzeugt und mit offenem Mund ausgestossen werden. Und schon sind die Murmeltiere im Bau verschwunden...

Winterschlaf

Wildtiere haben viele unterschiedliche Anpassungsformen entwickelt, wenn es gilt, Kälte- und Notzeiten zu überbrücken. Der Winterschlaf ist eine extreme, aber auch besonders effektive Variante. Eine perfekte Anpassung an die Lebensbedingungen im Hochgebirge.

Im Winterschlaf sinkt die Körpertemperatur der Murmeltiere von 39 Grad auf 3 bis 5 °C ab. Das Herz schlägt nur noch fünf Mal pro Minute, die Atemfrequenz liegt bei einem Atemzug pro Minute. Dadurch verbraucht das Tier wenig Fett und Sauerstoff. Murmeltiere überwintern in Gruppen von bis zu zwanzig Tieren in mit Heu ausgepolsterten Kesseln, zusammengerollt und aneinander gekuschelt. Alle zwei Wochen erwachen die Murmeltiere, um ihre Blase in speziellen Latrinenkammern zu entleeren.

Trotz dieser Ökonomie verlieren die erwachsenen Murmeltiere während des Winterschlafes die Hälfte ihres Körpergewichtes (von 5 auf 2.5 Kilogramm). Eine innere Uhr weckt die Murmeltiere pünktlich zum Bergfrühling, obwohl es unter der Erde weder heller noch wärmer wird.

Murmeli-Bau

Es ist kaum zu glauben, aber die Murmeltiere verbringen 90 Prozent ihres Lebens unter der Erde. Der Bau bietet Schutz und Zuflucht, er dient zur Jungenaufzucht, der Kühlung an heissen Sommertagen und er ist der Ort, wo diese Tierart jährlich etwa sieben Monate im Winterschlaf verbringt. Der Bau ist teilweise bis zu sieben Meter tief.

Die Tiefe hat einen Grund: Frostschutz. Denn das Erfrieren während des Winterschlafs ist eine gar nicht seltene Todesursache. Murmeltiere sind im Tiefbau unschlagbar. Sie graben mit ihren Vorderbeinen und manchmal lockern sie Steine auch mit den Zähnen. Grosse, ausgedehnte und weitverzweigte Bauanlagen sind das Werk von Generationen. Mancher Bergbauer kann ein Lied von den Baukünsten der Murmeltiere singen, wenn diese unter den Grundmauern der Alphütten eine besonders trockene, frostsichere Bleibe finden. Nicht selten droht Einsturzgefahr.